Theosis

Meister der Heiligen Stille

Theosis - Meister der Heiligen Stille
Theosis – Meister der Heiligen Stille

Theosis, die Vergöttlichung, ist ein zentrales Konzept in der christlichen Mystik, insbesondere in der östlich-orthodoxen Tradition. Es bezeichnet den spirituellen Prozess, durch den der Mensch, durch die Gnade Gottes, an der göttlichen Natur teilhat und in die Nähe Gottes wächst. Dieser Prozess ist nicht nur ein einmaliger Akt, sondern eine lebenslange Reise des Glaubens, die die tiefste Verbindung zwischen dem Menschen und Gott herstellen soll.


Der Ursprung des Begriffs Theosis

Das Wort Theosis stammt aus dem Griechischen und bedeutet wörtlich „Vergöttlichung“ oder „Gottwerdung“. Der Begriff ist in den Schriften der Kirchenväter verwurzelt, die über die Einheit von Gott und Mensch im Christentum nachdachten. Es ist ein tiefes, mystisches Konzept, das den göttlichen Plan für den Menschen beschreibt, nicht nur erlöst zu werden, sondern auch zu einem Teil von Gottes ewiger Natur zu werden.


Biblische Grundlage der Theosis

Die biblische Grundlage für Theosis findet sich vor allem im Neuen Testament. Ein zentrales Zitat dazu ist aus 2. Petrus 1:4, wo es heißt:

„Durch diese gibt uns Gott seine kostbaren und größten Verheißungen, damit ihr durch sie teilhabt an der göttlichen Natur.“

Dieser Vers zeigt, dass durch Christus und den Heiligen Geist, der Mensch an der göttlichen Natur teilhaben kann. Theosis ist also nicht nur ein Konzept der Transformation, sondern auch eine Verheißung, die in der Heiligung des Menschen durch Gottes Gnade verwirklicht wird.


Der Prozess der Theosis

Der Weg der Theosis ist ein lebenslanger Prozess der Transformation. Er beinhaltet mehrere geistliche Praktiken und Erfahrungen, die den Gläubigen immer näher zu Gott führen:

  1. Taufe: Der erste Schritt in der Gemeinschaft mit Christus und der Gnade Gottes.
  2. Gebet und Meditation: Durch intensives Gebet und Meditation öffnet sich der Gläubige für die göttliche Gegenwart. Dies hilft, den eigenen Willen zu veredeln und den inneren Frieden zu finden.
  3. Sakramente: Besonders die Eucharistie (das Abendmahl) ist ein zentrales Sakrament, das den Gläubigen in die gemeinschaftliche Teilhabe an Christi Körper und Blut einführt. Hier wird der Gläubige mit der göttlichen Natur verbunden und gestärkt.
  4. Ein Leben in Tugend: Ein Leben in Liebe, Demut, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit ist essenziell, um den alten, sündigen Menschen abzulegen und die göttliche Natur in sich selbst zu entfalten.

Die Rolle der Gnade

Ohne die Gnade Gottes wäre es unmöglich, an der göttlichen Natur teilzuhaben. Die Gnade ist ein unverdientes Geschenk Gottes, das dem Gläubigen hilft, auf dem Weg der Heiligung voranzuschreiten. Sie ist die treibende Kraft, die den Gläubigen reinigt und in das Bild Gottes umwandelt.

„Denn durch Gnade seid ihr gerettet, durch Glauben, und das nicht aus euch, Gottes Gabe ist es.“
Epheser 2:8


Das Ziel der Theosis

Das Ziel der Theosis ist die vollständige Vereinigung mit Gott. Es geht nicht darum, Gott zu ersetzten, sondern durch seine Gnade vollkommen in Ihm zu werdenvervollkommnet in Liebe und Heiligkeit. Die Theosis ist ein fortwährender Prozess der Verwandlung, der zu einem neuen Leben in Gott führt.

Es ist eine Vorbereitung auf das ewige Leben, das nach dem Tod erwartet wird. Die Vollendung in Gott ist sowohl jetzt als auch in der Zukunft zu erleben. Auf Erden beginnt sie durch die Teilnahme am göttlichen Leben und im Himmel wird sie in voller Herrlichkeit und Einheit mit Gott vollendet.


Die christliche Mystik und ihre Stufen

Die christliche Mystik hat ihren eigenen Weg, den Prozess der Theosis zu verstehen. Er wird oft in drei Stufen unterteilt, die zusammen den Weg zur Vergöttlichung beschreiben:

  1. Katharsis (Reinigung): In dieser ersten Phase wird der Mensch von Sünde und Anhaftungen an die Welt befreit. Es geht darum, den „alten Menschen“ zu überwinden und sich von den Egoismen und Weltbegierden zu reinigen.
  2. Fotisis (Erleuchtung): Der Mensch beginnt, mehr und mehr im Licht Gottes zu leben. Diese Phase ist durch spirituelle Klarheit, inneren Frieden und ein bewusstes Streben nach Heiligkeit geprägt. Hier wird der Gläubige mehr und mehr von der göttlichen Wahrheit erleuchtet.
  3. Theosis (Vergöttlichung): In dieser letzten Phase ist der Mensch mit Gott vereint. Diese Vereinigung ist nicht physisch, sondern geistlich und mystisch. Der Gläubige hat seine wahre Identität in Christus gefunden und lebt in voller Harmonie mit dem Göttlichen.

Die katholischen Mystiker und ihre Erfahrungen

In der katholischen Tradition gibt es viele mystische Erfahrungen, die auf den praktischen Aspekten des Glaubens beruhen. Besonders in den Ordensklöstern haben sich viele dieser Erfahrungen entwickelt und wurden weitergegeben:

  • Marienlehre und die Huldigung der Jungfrau Maria als Mutter Gottes ist ein zentraler Aspekt des katholischen Mystizismus. Sie wird als Vorbild der Göttlichen Mutter und der Vereinigung mit Gott angesehen.
  • Der Rosenkranz ist ein weiteres mystisches Gebet, das den Gläubigen in die Gnade und Geheimnisse Christi führt.
  • Der Herz-Jesu-Kult betont die göttliche Liebe, die in Jesus’ Herz offenbart wird und die Barmherzigkeit für die Menschheit.
  • Die Messe und die Abendmahlfeiern sind ebenfalls mystische Erfahrungen, die die Gläubigen in die Gemeinschaft mit Gott und seiner Erlösung führen.

Die christlich-orthodoxen Mystiker

Die orthodoxe Tradition, besonders in den abgelegenen Klöstern wie auf dem Berg Athos, bewahrt viele uralte mystische Praktiken, die im Westen teilweise verloren gegangen sind. Ein wichtiger Aspekt ist das Herzensgebet Jesu, ein kontinuierliches Gebet, das den Gläubigen zu einer tiefen inneren Stille und Nähe zu Gott führt.

  • Auf dem Berg Athos gibt es Berichte über Wunderheilungen und mystische Erlebnisse, die durch das Malen von Ikonen oder durch intensives Gebet geschehen.
  • Der Berg des Schweigens ist ein Ort, an dem die Stille und die Abgeschiedenheit die perfekte Umgebung für spirituelle Erfahrungen und die Vereinigung mit Gott schaffen.

Die Weisheit der Wüstenväter

Die ersten Meister des Glaubens, die Wüstenväter, zogen sich in die Stille der Wüsten zurück, um in vollkommener Abgeschiedenheit zu leben. Sie legten die Grundlage für die christliche Mystik, indem sie sich ganz dem Glauben widmeten und durch Kontemplation und Gebet zu einer tiefen Vereinigung mit Gott gelangten. Ihre Lehren über Stille, Gebet und Eremitismus sind bis heute eine Quelle der Inspiration für christliche Mystiker.


Fazit

Theosis ist der Weg zur Vergöttlichung, der den Gläubigen von der Reinigung der Sünde über die Erleuchtung bis hin zur Vereinigung mit Gott führt. Es ist ein tief mystischer und spiritueller Prozess, der von der Gnade Gottes getragen wird. Durch Gebet, Meditation, Sakramente und ein tugendhaftes Leben wird der Gläubige immer mehr zu einem Teil der göttlichen Natur.